Anfängerpech
Gegenwärtig erhitzt die sogenannte Trauzeugenaffäre die politischen Gemüter. Die Schlüsselfigur in dieser Affäre ist Dr. Patrick Graichen, einer von sieben! Staatssekretären im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das seit 2021 von Robert Habeck (Die Grünen) geführt wird. Graichen ist Habecks Mann für die Energiewende, und so leidenschaftlich, wie in früheren Zeiten die treuen Gefolgsleute für Ehre, Ruhm und die mehr oder weniger hehren Ziele ihres Herrn kämpften, so leidenschaftlich kämpft Partrick Graichen nun für die Wärmepumpe.
Als es den Vorsitz der Deutschen Energie-Agentur (wer kennt sie nicht?) zu besetzen galt, wurde eine vierköpfige Findungskommission eingesetzt, der auch Patrick Graichen angehörte. Am Ende des aufwendigen Findungsprozesses ward tatsächlich ein Vorsitzender gefunden – und das war durch einen lustigen Zufall ausgerechnet der Trauzeuge von Patrick Graichen.
Das ist nicht der einzige lustige Zufall in seinem Umfeld. So ist Michael Keller nicht nur der Schwager von Patrick Graichen, sondern als ein weiterer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium außerdem noch sein Kollege. Seine Geschwister, Verena und Jacob Graichen, arbeiten im Ökoinstitut, das dem Ministerium allerhand Beratungsleistungen zur Verfügung und in Rechnung stellt.
Nepotismus! Das schreien nun die Hochgebildeten in der Opposition. Die anderen rufen: Vetternwirtschaft! Von „grünem Filz“ ist die Rede oder sogar von einer „grünen Mafia“! Dabei gebärden sich Angehörige jener Partei am lautesten, die in der Vergangenheit selbst mit einigem Filz zu tun hatten, wenngleich der nicht grün, sondern eher blau-weiß-kariert war. Das ist auch kein Wunder, denn natürlich kann der am besten kritisieren, der über ein hohes Maß an Verständnis und Erfahrung verfügt. Oder anders gesagt: nur der kann richtig mit Dreck werfen, der ordentlich was davon am Stecken hat.
Die Grünen reagieren erwartungsgemäß. Jürgen Trittin erkennt in der ganzen Affäre sofort eine Kampagne, um die Energiewende zu torpedieren, und zwar „aus der rechten Ecke“. Andere Grüne leisten großkalibrige Schützenhilfe. Der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch sieht gleichfalls „Kampagnen gegen Klimaschutz“ – aber die Zeit fossiler CDU-Lobbyisten in Staatsämtern, so poltert er kürzlich, sei abgelaufen! (Dabei sei angemerkt, daß die Wortfügung „fossile Lobbyisten“ durchaus doppeldeutig ist – sehr subtil.)
An dieser Stelle fragt man sich doch, warum sind so viele Menschen in unserem Land eigentlich politikmüde? Wird ihnen etwa nichts geboten? Vetternwirtschaft, grüne Mafia, Findungskommision, fossile Lobbyisten, Trauzeugen und Wärmepumpen – was für ein Ensemble, was für ein Theater! Wer braucht noch die nächste Staffel vom „House of Dragon“, wenn täglich „Das Haus der flackernden Ampel“ läuft?
Und Robert Habeck, der Dienstherr von Patrick Graichen, wie verhält er sich in dieser ganzen Affäre? Kurz gesagt, wie ein Anfänger! Er argumentiert tatsächlich mit der Kompetenz seines Staatssekretärs. Dabei liegt es doch auf der Hand, was in einer Situation zu tun ist, in der jeder Moral-, Integritäts-, Glaubwürdigkeits- und Anstandskompaß auf den sofortigen Rücktritt des Staatssekretärs weist. (Einen solchen Kompaß gibt es übrigens wirklich, oder es gab es ihn zumindest, sogar in der Politik.)
Patrick Graichen übernimmt die Verantwortung für sein Handeln, indem er weitermacht! So einfach ist das! Diese elegante Lösung hat schon einer ganzen Reihe von Politikern aus jenen Gruben geholfen, die sie sich selbst gegraben hatten, die funktioniert hier bestimmt auch. Und falls nicht, gibt es immer noch jene Lösung die so robust wie simpel ist: Patrick Graichen hat einfach vergessen, wer sein Trauzeuge gewesen ist! Immerhin beweist der Dienstherr seines Dienstherrn bei jeder Anhörung aufs Neue, daß man auch in ganz entscheidenden Punkten unter einem überraschenden Gedächtnisverlust leiden kann.