An der Kette

Mit dem Christentum in Deutschland geht es bergab. Immer mehr Menschen kehren sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche den Rücken zu und so droht den ehemaligen „Volkskirchen“ nun das, was für die beiden gewesenen „Volksparteien“ schon längst Wirklichkeit ist.

Doch das Blatt wendet sich! Das christliche Abendland geht möglicherweise doch nicht unter, denn da regt sich etwas in der zunehmenden Dunkelheit, ein Funken Hoffnung … Und wo? Nein, weder in Unter- noch Oberbayern noch im Erzgebirge noch in sonst einem jener Landstriche, die von recht seltsam sprechenden aber ansonsten höchst rechtschaffenen Leuten bewohnt werden, sondern ausgerechnet im Sündenbabel – in Berlin!

Ausgerechnet dort nämlich ist das Christkind derartig begehrt, daß es vor zu zudringlichen Jüngern geschützt werden muß, und zwar, wie der Tagesspiegel kürzlich berichtete, mit einer Kette! Und das auch nicht auf irgendeinem punschpanschenden Weihnachtsmarkt in irgendeinem schäbigen Randbezirk der Hauptstadt, sondern auf dem traditionellen Weihnachtsmarkt in Berlins Stadtmitte!

Bereits im letzten Jahr wurde dort das Christkind aus der Krippe geklaut, tatsächlich, und zwar einige Wochen später wieder zurückgegeben, doch daß die Veranstalter das nicht als die einmalige Tat eines Verirrten ansehen, sondern in diesem Jahr mit einem wahren Ansturm der Erweckten rechnen, zeigt sich nun. Denn die Betreiber legen nicht nur das Christkind an die Kette, sie lassen es nicht nur vom einem Wachdienst behüten, sondern gehen in ihrem Bemühungen noch viel weiter! Da werden doch tatsächlich Bauarbeiten vorgetäuscht (etwas, worin Berlin auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann), um so einen Grund zu haben, den gesamten Weihnachtsmarkt samt Krippe und Christkind zu verlegen, nämlich auf den Bebelplatz – und das alles, um die wieder erstarkende Christenheit zu verwirren …

Angesichts dieser Erweckungsbewegung wirkt es reichlich merkwürdig, daß die Staatsministerin und Beauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Bibelzitat an der Kuppel des wiedererstandenen Stadtschlosses bei Nacht mit irgendwelchen weltlichen Erwägungen überblenden will. Ob das mal gutgeht? Nun haben die Grünen ja in letzter Zeit ohnehin etwas Orientierung verloren und man muß wahrscheinlich schon dankbar sein, daß sie nur auf solche Ideen kommt und nicht etwa in Zusammenarbeit mit ihrem Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne) ein fliegendes Ölkraftwerk über der Kuppel platzieren will.

Ein Rat sei den Veranstaltern des Weihnachtsmarktes mit auf den Weg gegeben: da das Christkind sich ja quasi bei Euch eingemietet hat und Ihr es schützen wollt, seid bitte sorgfältig! Denn was den Mieterschutz in Berlin angeht, so ist in den letzten Jahren nicht alles ganz so gut gelaufen, wie es beabsichtigt gewesen ist. Erst wurde der Mietendeckel kassiert, dann das bezirkliche Verkaufsrecht und erst kürzlich wurde der Mietpreisbremse für ungültig erklärt. Schuld daran ist ein banaler Fehler, der leicht zu vermeiden gewesen wäre, es wurde nämlich versäumt, die Begründung dieser Verordnung ordnungsgemäß zugänglich zu machen.

In letzter Instanz verantwortlich für diesen folgenreichen Lapsus ist Andreas Geisel (SPD), damals der Bausenator der Stadt. Der Name kommt Ihnen vage bekannt vor? Ja, richtig, das ist derselbe, der als Innensenator die vermurkste Wahl im letzten Jahr letztlich zu verantworten hat, aber das ist eine andere Geschichte … Und wenn nun manch einer fragen mag, ist das nicht derselbe Andreas Geisel, der im amtierenden Senat schon wieder für das Baugeschehen der Hauptstadt verantwortlich ist? Das ist er – fröhliche Weihnachten!

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