Vater Staat
Dank des hervorragend laufenden Auslandsgeschäfts hat die Deutsche Post DHL Group im Jahr 2022 ein Rekordergebnis in Höhe von 8,4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Gleichzeitig mehren sich die Beschwerden über die Post im Inland und gegenwärtig zeichnet sich ein heftiger Arbeitskampf im Unternehmen ab – gestern sprach sich die Mehrheit der Verdi-Mitglieder in einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik aus.
Janine Wissler, die Vorsitzende der Partei Die Linke, hat für diese Problemkonstellation eine ebenso einfache wie überzeugende Lösung parat: die Post sollte wieder verstaatlicht werden! In der Tagesschau sagte sie: „Eine Post in öffentlicher Hand wäre gut für die Beschäftigten. Es wäre auch gut für uns alle, damit es nicht immer weiter Portoerhöhungen gibt und wir dafür bezahlen, dass andere gut verdienen, nämlich die Aktionäre.“ Außerdem, so führte sie weiter aus, gehöre alles das, was zur sogenannten öffentlichen Daseinsvorsorge zählt, ohnehin in öffentliche Hand.
Diese Argumentation hat nur eine einzige Schwäche – sie geht nicht weit genug! Denn es trifft ja wohl auf fast alle Unternehmen zu, daß die Leistungen oder Produkte, die sie bieten, immer teurer werden und die Eigentümer mit diesen Leistungen oder Produkten Geld verdienen.
Und wenn man den Begriff der öffentlichen Daseinsvorsorge beim Wort nimmt, läßt sich fragen, was gehört eigentlich nicht dazu? Hygieneartikel? Lebensmittel? Tiernahrung? Benzin? Bücher? Und wie verhält es sich mit dem Internet? Etwas pointiert formuliert: wenn die Zustellung (und Retour) von Amazon-Bestellungen zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehört, dann ja wohl auch der Zugang zu warmer Kleidung im Winter und Deodorant im Sommer!
Kurzum, wir sollten den Vorschlag von Janine Wissler konsequent zu Ende denken und das alles, ja überhaupt alles verstaatlichen! Ja, auch das Internet – in anderen Ländern hat man mit dieser Art der Daseinsvorsorge und Fürsorge viele gute Erfahrungen gemacht.
Das Schöne ist, wir müssen das Verstaatlichungs-Rad gar nicht neu erfinden. Sicher, wir könnten uns auf die Bundespost besinnen, als sie noch in staatlicher Hand und der größte Arbeitgeber der Bundesrepublik war (1985 waren von den etwa 24,5 Millionen Erwerbstätigen allein 550.000 bei der Post beschäftigt) – doch wenn wir uns wirklich auf den Weg in eine bessere Welt machen wollen, müssen wir in anderen Dimensionen denken. Auf diesem Weg kann Frau Wissler ganz einfach in ihr Parteiarchiv hinabsteigen und sich dort zahlreiche Anregungen holen, was man alles verstaatlichen kann und wie man vorgeht, wenn einer sich partout diesem Fortschritt verweigern will.
In der Deutschen Demokratischen Republik nämlich war unter der weisen Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), deren Nachfolgerin die PDS war, deren Nachfolgerin wiederum Die Linke ist, so ziemlich alles verstaatlicht – und mit welch durchschlagendem Erfolg!
Wie jeder weiß, war die DDR ein glänzend funktionierendes, unglaublich prosperierendes und überhaupt so derartig lebenswertes Stück Erde, daß ihre Bewohner sogar einen Schutzwall errichten mußten, um zu verhindern, daß die Ausgebeuteten des Westens nicht allesamt über die Grenze stürmten.