Eine grüne RAF? – Teil 2v2
Der erste Teil dieses Beitrags findet sich hier.
Wenn der Vergleich des Bündnisses „Letzte Generation“ mit der RAF gegenwärtig auch unangemessen ist, ganz und gar abtun sollte man ihn nicht – denn er kann die Sicht dafür schärfen, was schlimmstenfalls zu erwarten ist.
So banal es klingt: die späteren Terroristen der RAF und ihre Helfer wurden weder als solche geboren, noch von einem Tag auf den anderen plötzlich zu schweren Straftätern. Wie viele andere waren sie zunächst junge, politisch interessierte und engagierte Menschen, die die Welt zu einem besseren Ort machen wollten.
Wie viele andere fanden sie dabei ein „System“ vor, das sich schwertat mit den Sünden der Vergangenheit und den progressiven Ideen für die Zukunft. Die meisten arrangierten sich auf die eine oder andere Art irgendwann damit, nicht wenige opponierten außerparlamentarisch und manche traten den Marsch durch die Institutionen an. Einige aber verrannten sich in ihren Ansichten, aus dem „System“ wurde das „Schweinesystem“ – und aus der empfundenen Ohnmacht ihm gegenüber wurde Aggression.
Widerstand gegen dieses „Schweinesystem“ war geboten und der war natürlich nicht legal, denn die Forderung nach Legalität ist ja Teil des „Systems“. Doch der Widerstand war legitim – legitimiert durch eine Gedankensülze aus Ideologie, Geltungsdrang, Selbstgerechtigkeit und -überschätzung und der Überheblichkeit, als Einzige zu wissen, was für alle anderen am besten ist. Beugt sich die Gesellschaft diesem Wissen nicht, so muß sie eben gezwungen werden, nötigenfalls mit Gewalt. Oder wie Karl Marx bereits 1844 schrieb (was auch von den Stadt-Guerilleros der RAF eifrig bemüht wurde):
„Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen. Man muss den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewusstsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man i e publicirt. Man muss jede Sphäre der deutschen Gesellschaft als die partie honteuse der deutschen Gesellschaft schildern, man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt! Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.“
Karl Marx: Zur Kritik der Hegel’schen Rechtsphilosophie. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: , 1844, Seite 74
Die Zukunft wird zeigen, welche Melodie die Klima-Aktivisten noch zu singen bereit sind, orchestriert mit Selbstgerechtigkeit und legitimiert durch ihren überheblichen Glauben, über dem Gesetz zu stehen – und inwiefern damit der Vergleich mit der RAF an Berechtigung gewinnen wird.
Um eine Eskalation zu vermeiden, gibt es allerdings eine Möglichkeit, die vor allen anderen auf der Hand liegt: jeder einzelne von uns und wir als Gesellschaft könnten dem Kernanliegen der Aktivisten tatsächlich nachkommen, denn auch wenn die meisten ihr Vorgehen mißbilligen, so findet dieses Anliegen doch eine breite Mehrheit – ganz im Unterschied zur RAF übrigens, deren Anliegen immer nur von einer Randgruppe geteilt wurde.
Ja, damit hätten sie gewonnen – aber wir auch.