Die Holzfäller

Am Dienstag haben Mitglieder der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ einen Baum gefällt. Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin legten sie die Säge an einen jungen Ahorn und brachten ihn zu Fall. Sie wollten damit auf die fortgesetzte Zerstörung der Wälder, auch in Deutschland, aufmerksam machen. Auf Twitter hieß dazu: „Stillschweigend werden pro Min. 42 Fußballfelder Wald gerodet, wichtige Kohlenstoffspeicher für unsere Zukunft. Wirtschaft & Politik sägen an den Ästen, auf denen die Zivilisation sitzt. Wir machen diese Zerstörung mitten in Berlin sichtbar.“

Diese Tat ist bemerkenswert, und zwar nicht, weil sie uns auf etwas aufmerksam machen will, das wohl die allermeisten längst wissen; sie ist nicht bemerkenswert, weil sie darauf hinweisen will, daß wir trotz dieses Wissens wenig bis gar nichts gegen diese Zerstörung unserer Lebensgrundlagen unternehmen, denn auch das dürfte wohl den meisten bewußt sein; bemerkenswert ist sie, weil sie uns, jedem einzelnen von uns ganz neue Möglichkeiten der Moralität eröffnet!

Was ist hier eigentlich geschehen? Die Aktivisten taten etwas, das in ihren Augen schlimm ist, sie fällten einen Baum, um noch Schlimmeres zu verhindern, nämlich das Fällen von noch mehr Bäumen. Das Verhindern des noch Schlimmeren rechtfertige es offenbar, Schlimmes zu tun. Oder wie es Francis Underwood gleich in der ersten Folge von „House of Cards“ süffisant formuliert: to do bad things for a greater good. Großartig!

Denn mit dieser Argumentation kann sich nun jeder in eine uralte Schrottkarre ohne Ruß- oder Partikelfilter setzen, in den Berliner Tiergarten fahren, auf einer geschützten Wildblumenwiese einen Einweggrill auspacken und darauf Billigfleisch grillen bis die Schwarte kracht – natürlich, um auf die Verkehrskatastrophe, die Luftverschmutzung, die Umweltzerstörung und die Barbarei der Fleischindustrie aufmerksam zu machen, um alles das mitten in Berlin sichtbar zu machen.

Mit dieser Argumentation können sich zwei in ein Flugzeug setzten, um einem kerosinverbrennenden und CO2-ausstoßenden Interkontinentalflug nach Südostasien zu unternehmen – natürlich nicht, um eigenen Interessen oder Vergnügungen nachzugehen, wie all die anderen mitfliegenden Sünder es tun, sondern um auf den Schaden aufmerksam zu machen, den ein solcher Landstreckenflug dem Klima antut. Da ergibt sich eine wunderbare Möglichkeit, nicht nur einen schönen, sondern auch noch moralisch sauberen Urlaub zu machen.

Zur Ehrenrettung muß gesagt werden, daß sich natürlich niemals zwei Aktivisten in ein Flugzeug setzen würden, um nach Südostasien zu fliegen – dafür ist die Lage viel zu ernst.

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